Seit Tagen fliegt Israel immer wieder schwere Luftangriffe auf Ziele im Libanon. Bisher allerdings beschränkten sich diese auf den südlichen Teil des Landes, die Hauptstadt schien ausgeklammert. Das hat sich nach bisherigem Stand in dieser Nacht geändert. Ein israelischer Angriff traf Berichten zufolge ein Wohnhaus im Beiruter Stadtteil Kola.
Im Visier stand wohl eine Wohnung, die zwei Mitgliedern der sunnitisch-islamistischen Gruppierung Dschamaa al-Islamija gehöre, verlautete aus libanesischen Sicherheitskreisen. Dabei wurden vier Menschen getötet. Wie die Volksfront zur Befreiung Palästina (PFLP) mitteilte, waren drei der Getöteten Mitglieder der mit der Hisbollah verbündeten militanten Palästinensergruppierung, die unter anderem in Deutschland verboten ist. Demnach wurden bei dem Angriff ihr militärischer Sicherheitschef Mohammad Abdel-Aal, der militärische Befehlshaber Imad Odeh sowie das Mitglied Abdelrahman Abdel-Aal getötet.
Gezielte Tötung von Milizionären
Augenzeugen berichten von einem Knall und Rauch, der aus einem Loch im Dachgeschoss aufsteigt, das offenbar gezielt angegriffen wurde. In der Umgebung waren Krankenwagen mit Sirenen zu hören. Es ist der erste Angriff dieser Art, der sich außerhalb der südlichen Vororte und innerhalb der Stadtgrenzen von Beirut ereignet. Auf Fernsehaufnahmen lokaler Sender war das zerstörte Stockwerk des betroffenen Gebäudes zu erkennen.
Kola befindet sich im Südwesten der libanesischen Hauptstadt. Das Viertel wird überwiegend von Sunniten bewohnt, es grenzt an die Straße zum Flughafen.
Bei einem weiteren Angriff im Süden des Libanon soll ebenfalls ein hochrangiger Islamist getötet worden sein: Die palästinensische Hamas meldet den Tod ihres Befehlshabers Fateh Sherif Abu el-Amin. Er sei bei einem israelischen Angriff im Süden des Landes zusammen mit einigen Familienangehörigen getötet worden. Die Hamas ist mit der libanesischen Hisbollah-Miliz verbündet.
Geschichte des Israel-Libanon-Konflikts: »Wir befinden uns bereits in einer Art drittem Libanonkrieg«Ein Interview von Christoph Gunkel
Israels Angriffe auf Irans Verbündete: Biden will Netanyahu treffen, um großen Krieg in Nahost zu verhindern
Einsatz gegen Huthis: Israelische Luftwaffe greift Ziele im Jemen an

Zuvor waren am Sonntag bei israelischen Luftangriffen im Libanon mindestens 105 Menschen ums Leben gekommen. Das ergibt eine Auswertung von Angaben des Gesundheitsministeriums.
Im Jemen wurden vier Menschen bei Luftangriffen durch Israels Armee getötet und 29 weitere Personen verwundet. Das teilte das von den Huthi-Milizen kontrollierte Gesundheitsministerium mit. Es seien Kraftwerke und ein Hafen für Ölimporte im Jemen angegriffen worden. Die Huthi-Miliz hat immer wieder Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert, die aber weitgehend abgefangen wurden. Zudem greifen die Huthis Frachtschiffe im Roten Meer und im angrenzenden Golf von Aden an, die sie in Verbindung mit Israel bringen.
Französischer Minister reist nach Beirut
Inmitten der israelischen Angriffe ist Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot am Sonntagabend im Libanon eingetroffen. Das Außenministerium in Paris bestätigte die Ankunft Barrots. Demnach sind mehrere Treffen mit libanesischen Behördenvertretern und Repräsentanten von Uno-Organisationen geplant.
Kurz nach Barrots Ankunft in Beirut gab das Außenministerium die Tötung eines französischen Staatsbürgers im Libanon bekannt. Am Montag war bereits eine 87-jährige Französin nach einer »starken Explosion« in einer Ortschaft im Süden des Landes gestorben.
DER SPIEGEL
Barrot hatte nach der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah bei einem israelischen Luftangriff am Wochenende eine »sofortige Einstellung der israelischen Luftangriffe im Libanon« gefordert. Zugleich rief er die Hisbollah und Iran dazu auf, von jeglichen Handlungen abzusehen, »die zu einer weiteren Destabilisierung und einem regionalen Flächenbrand führen könnten«.
Biden trifft Netanyahu – Saudi-Arabien mahnt zu Mäßigung
Auch US-Präsident Joe Biden äußerte sich zur Lage in der Region. Er sei überzeugt, dass ein großer Krieg im Nahen Osten verhindert werden müsse. Washington versuchte in den vergangenen Tagen, Israel zur Mäßigung in seiner Kriegsführung zu bewegen. Deshalb will sich Biden zeitnah mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu treffen. Wann das Treffen stattfinden soll, gab der US-Präsident vor Reportern an Board der »Air Force One« nicht bekannt.
Zum Tod des Hisbollah-Führers Hassan Nasrallah: Von Iran gestützt, von Israel getötetVon Christoph Reuter und Bernhard Zand
Die Regierung in Saudi-Arabien hat sich angesichts des Konflikts im Libanon besorgt geäußert. Das Königreich verfolge »mit großer Sorge« die Entwicklungen in dem Land, hieß es am Montag in einer Erklärung des Außenministeriums. Riad rufe zudem dazu auf, die »Souveränität und territoriale Integrität« des Libanon zu respektieren.
Weiter hieß es in der Erklärung, Riad appelliere an die internationale Gemeinschaft, »ihrer Verantwortung für den Schutz des Friedens und der Sicherheit in der Region gerecht zu werden, um der Region und ihrer Bevölkerung die Gefahren und Tragödien von Kriegen zu ersparen«.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Überschrift war von einem Angriff im Zentrum von Beirut die Rede. Tatsächlich liegt Kola jedoch im Süden des Zentrums. Wir haben die Stelle korrigiert.